Blendende Photovoltaikanlagen: Was tun, wenn Sonnenreflexionen zur Belastung werden

 

Photovoltaikanlagen sind ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Energieversorgung. Doch was, wenn die Sonnenstrahlen nicht nur Strom, sondern auch Ärger produzieren, beispielsweise durch störende Lichtreflexionen auf benachbarten Sitzplätzen, Balkonen oder in Wohnzimmern? Wann Blendungen unzulässig sind und was man dagegen unternehmen kann, erklärt dieser Beitrag.

Photovoltaik ja – aber bitte blendfrei!

In der Schweiz können Photovoltaikanlagen auf Dächern in praktisch allen Zonen ohne Baubewilligung errichtet werden – ein sogenanntes Meldeverfahren genügt. Das Bauvorhaben muss lediglich der zuständigen Baubehörde gemeldet werden, eine eigentliche Baubewilligung ist nicht erforderlich. Meldet die zuständige Baubehörde innerhalb von 30 Tagen nichts anderes, kann die Photovoltaikanlage erstellt werden.

Mit dem Meldeverfahren will der Gesetzgeber die Nutzung von Solarenergie erleichtern. Doch auch wenn keine Baubewilligung nötig ist, müssen trotzdem alle materiellen Vorschriften eingehalten werden, darunter auch solche aus dem Umweltrecht.

Die konkreten baulichen Anforderungen an Solaranlagen, damit diese lediglich gemeldet werden müssen, sind in Art. 32a Abs. 1 und Abs. 1bis Raumplanungsverordnung sowie in § 2a Abs. 1 lit. b Bauverfahrensordnung des Kantons Zürich festgelegt. So dürfen Solaranlagen auf Schrägdächern beispielsweise im rechten Winkel maximal 20 cm über die Dachfläche hinausragen und bei Flachdächern nur so montiert werden, dass sie von unten, in einem 45-Grad-Winkel betrachtet, nicht sichtbar sind.

Ausserdem muss die Solaranlage reflexionsarm ausgeführt werden, und zwar sowohl technisch als auch bei der Montage und Ausrichtung.

Entscheidend sind:

  • Ausrichtung und Neigungswinkel der Module,

  • Abstand zu potenziell betroffenen Bereichen und

  • technische Eigenschaften der Oberflächen.

Denn selbst bei technisch einwandfreier Bauweise können schädliche oder lästige Blendungen auftreten.


Wann sind Blendungen zu begrenzen?

Ob (trotz erfüllter Voraussetzungen für das Meldeverfahren) unzulässige oder zu begrenzende Blendungen auftreten, ist im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Beurteilungskriterien sind insbesondere:

  • Intensität des reflektierten Lichts,

  • Dauer und Häufigkeit der Lichtreflexionen und
    Auswirkung auf das Wohlbefinden Dritter.

Besonders kritisch sind sogenannte «Absolutblendungen», bei denen sich das Auge nicht mehr an die Lichtverhältnisse anpassen kann.

Selbst wenn keine unzulässigen Blendungen vorliegen, müssen diese laut dem umweltschutzrechtlichen Vorsorgeprinzip zusätzlich so weit reduziert werden, wie dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 Umweltschutzgesetz).

Die Gerichte erachteten emissionsbegrenzende Massnahmen namentlich in folgenden Fällen als erforderlich:

  • Reflexionen mit einer Helligkeit von bis zu 30 % des Sonnenlichts über 50 Minuten pro Tag und über mehrere Wochen im Jahr bzw. während weit über 30 Stunden pro Jahr (Entscheid des Bundesgerichts, BGer 1C_686/2021 vom 9. Januar 2023).

  • Tägliche Blendungen in den Sommermonaten mit einer Dauer von ca. 30-50 Minuten, die gemäss einem Gutachten mit wirtschaftlich tragbaren, technischen Möglichkeiten um bis zu 80% auf eine tägliche Reflexionszeit von maximal 20 Minuten reduziert werden konnten (Entscheid der Baukommission ZH, BRKE II Nr. 0119/2007 vom 5. Juni 2007, bestätigt in VB.2007.00307 vom 7. November 2007). Tägliche

  • Blendungen an mehreren Beobachtungspunkten der Liegenschaft zwischen 60 und 92 Minuten an 70 bis 190 Tagen pro Jahr, ausgehend von reflektierenden Flächen im Abstand von nur ca. 20 Metern zur betroffenen Liegenschaft (Entscheid der Bau- und Verkehrsdirektion Bern, BVD 120/2021/57, E. 5.k).

Die (unverbindlichen, in der Praxis dennoch relevanten) Empfehlungen im Leitfaden zum Melde- und Bewilligungsverfahren für Solaranlagen von EnergieSchweiz qualifizieren folgende Blenddauern («Absolutblendung») als tolerierbar:

  • max. 30 Minuten Blenddauer an beliebig vielen Tagen im Jahr

  • max. 60 Minuten Blenddauer an max. 60 Tagen im Jahr

  • max.120 Minuten Blenddauer an max. 20 Tagen im Jahr

  • max. 60 Stunden Blendung im Jahr


Was können Betroffene tun?

Wenn eine Solaranlage störende oder lästige Blendungen verursacht, haben NachbarInnen mehrere Möglichkeiten:

  1. Privatrechtliche Immissionsklage gemäss Art. 679 ZGB gegen die Bauherrschaft;

  2. Baupolizeiliche Meldung mit dem Ziel, ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren auszulösen;

  3. Öffentlich-rechtliche Immissionsklage gegen die Bauherrschaft.

Der öffentlich-rechtliche Immissionsschutz geht weiter und ist strenger als das Privatrecht. NachbarInnen sind deshalb meist gut beraten, wenn sie entweder eine baupolizeiliche Meldung oder eine öffentlich-rechtliche Immissionsklage einreichen. Die zuständige Behörde hat dann von Amtes wegen abzuklären und zu beurteilen, ob die Blendungen tatsächlich schädlich oder lästig im Sinne des Umweltschutzgesetzes sind oder durch technisch und betriebliche Massnahmen, die wirtschaftlich tragbar sind, begrenzt werden können. Geeignete Beweismittel sind insbesondere Augenscheine und Reflexionsgutachten.


Welche Massnahmen zur Emissionsbegrenzung sind möglich?

Werden die Blendungen als unzulässig qualifiziert, sind die Emissionen an der Quelle zu begrenzen (Art. 11 Abs. 1 Umweltschutzgesetz). Mögliche Massnahmen sind:

  • Versetzung oder Neuausrichtung der Photovoltaik-module

  • Sichtschutzwände oder Bepflanzung

  • Austausch durch reflexionsärmere Module.

Selbst wenn die Blendungen im Einzelfall nicht als unzulässig qualifiziert werden, sind solche Massnahmen zu treffen, soweit sie technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sind.

Die Verantwortung liegt bei der Bauherrschaft und nicht bei den Betroffenen. Es ist nicht zulässig, den Schutz der Betroffenen durch Sonnenschirme, Sonnenbrillen oder die teilweise Nichtbenutzung betroffener Stellen zu verlangen. Dies widerspricht dem dargelegten Grundsatz, Emissionen an der Quelle zu begrenzen.


Fazit: Solarenergie mit Rücksicht auf die Nachbarschaft

Photovoltaikanlagen sind ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Energieversorgung. Damit ihr Einsatz nicht zu Konflikten führt, müssen baurechtliche und umweltschutzrechtliche Vorgaben sorgfältig beachtet werden. Besonders durch Blendungen dürfen NachbarInnen nicht übermässig beeinträchtigt werden.

Ob Blendungen unzulässig sind, hängt vom Einzelfall ab. Betroffene haben Möglichkeiten, sich gegen Blendungen zu wehren – gerne unterstützen wir Sie dabei; und die Behörden sind verpflichtet, unzumutbare Blendungen zu prüfen und gegebenenfalls emissionsbegrenzende Massnahmen anzuordnen.

 

Autorin: Jennifer Caminada

 
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