Kann eine alte Dienstbarkeit gelöscht werden?
Unbefristete Dienstbarkeiten haben grundsätzlich «ewige» Gültigkeit. Nur ein qualifizierter Interessenverlust des Berechtigten erlaubt einem Belasteten, die Löschung zu erzwingen.
Dienstbarkeiten sind Nutzungs- und Gebrauchsrechte in Form  beschränkter dinglicher Rechte. Dem Berechtigten kommt die Befugnis zu,  ein Grundstück in bestimmter Hinsicht zu nutzen bzw. zu gebrauchen. Die  konkreten Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Grundbucheintrag und  ergänzend aus dem Dienstbarkeitsvertrag, mit welchem die Servitut  vereinbart wurde. Aus Sicht des Belasteten geht es grundsätzlich um ein  Dulden oder Unterlassen zugunsten des Berechtigten. Zu unterscheiden ist  zwischen Grunddienstbarkeiten und Personaldienstbarkeiten. Bei der  Grunddienstbarkeit ist der jeweilige Eigentümer der betroffenen  Grundstücke berechtigt bzw. belastet. Bei der Personaldienstbarkeit ist  der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks belastet, hingegen berechtigt  ist eine Person oder auch etwa eine Gemeinde oder Stadt. Nebst  Nutzniessung und Wohnrecht sowie Baurecht sind in der Praxis  Grunddienstbarkeiten wie Fuss- und Fahrwegrechte, Parkierungsrechte,  Näher-, Höher- und Überbaurechte, nachbarliche  Erschliessungsdienstbarkeiten, Gewerbebeschränkungen sowie Bau- oder  Bauhöhenbeschränkungen, z.B. sog. «Villenservitute», häufig. In  letzteren Fällen wird dem belasteten Grundeigentümer untersagt, seine  Liegenschaft (vollumfänglich) nach den Möglichkeiten der kommunalen Bau-  und Zonenordnung bzw. der Baugesetzgebung auszunutzen. Das kann nicht  nur lästig sein, sondern im Vergleich zu anderen Grundstücken im  Quartier eine empfindliche Verkehrswertminderung nach sich ziehen.
Welche Tatbestände bewirken eine Löschung?
Dienstbarkeiten kennen verschiedene Untergangsgründe. Zunächst können  sich Berechtigte und Verpflichtete entgeltlich oder unentgeltlich auf  einen Verzicht einigen (Verzichtsvereinbarung). Weiter kann der  Dienstbarkeitsberechtigte einseitig auf sein Recht verzichten, sofern  bei gemeinschaftlichen Vorrichtungen (z.B. Heizanlage) nicht (für  maximal 30 Jahre) die Unterlassung des Ausscheidens vereinbart wurde.  Die Löschung der Dienstbarkeit hat auch bei Eintritt einer bei  Dienstbarkeitserrichtung vorgesehenen Befristung oder  (Resolutiv-)Bedingung zu erfolgen. Dienstbarkeiten können sodann infolge  Ablebens des Berechtigten (bei Personaldienstbarkeiten), bei einer  Zwangsverwertung des betreffenden Grundstücks (bei einem sog.  Doppelaufruf) oder durch Ablösung auf Basis öffentlichen Rechts  (namentlich kantonaler Baugesetzgebungen) untergehen sowie im Falle des  Untergangs des berechtigten oder belasteten Grundstücks. Schliesslich  kann unter bestimmten Umständen eine Löschung durch richterliche  Ablösung der Dienstbarkeit erfolgen, worauf unten noch näher eingegangen  wird.
Die Löschung selbst erfolgt auf Grundlage einer Löschungsanmeldung des Dienstbarkeitsberechtigten oder eines ausgewiesenen Löschungsantrags des Dienstbarkeitsbelasteten. Im letzteren Fall sind erforderliche Zustimmungen des Dienstbarkeitsberechtigten und gegebenenfalls eines Drittpfandgläubigers (Hypothekenbank) beizubringen und/oder Nachweisdokumente wie z.B. der Todesschein beim Tod des Personaldienstbarkeitsberechtigten vorzulegen. Werden berechtigte und belastete Liegenschaft vom gleichen Eigentümer erworben, so entsteht eine Eigentümerdienstbarkeit, und die Dienstbarkeit kann (muss aber nicht) gelöscht werden.
Bei einem Eintrag, der höchstwahrscheinlich keine rechtliche  Bedeutung mehr hat, kann der belastete Eigentümer unter Darlegung  entsprechender Umstände und Vorlage von Belegen die Löschung in einem  erleichterten Verfahren verlangen. In solchen Fällen, soweit das  Grundbuchamt das Löschungsbegehren für begründet hält, teilt dieses der  berechtigten Person mit, dass es den Eintrag löschen werde, wenn nicht  innert 30 Tagen Einspruch oder gegebenenfalls in der Folge innert drei  Monaten Klage erhoben wird. Ein Sondertatbestand liegt dann vor, wenn  die Auslegung der Servitut ergibt, dass der Eintrag ungerechtfertigt ist  und deshalb mittels Grundbuchberichtigungsklage die Löschung oder  Abänderung der Dienstbarkeit verlangt werden kann. Schliesslich besteht  anstelle der Löschung bei Interessennachweis und Kostenübernahme u.U.  die Möglichkeit der Verlegung der Dienstbarkeit, etwa eines Wegrechts,  auf eine andere, aus Sicht des Berechtigten nicht weniger geeignete  Stelle.
Wann kann eine Löschung gegen den Willen des Dienstbarkeitsberechtigten erzwungen werden?
Unbefristete, nicht resolutiv-bedingte oder nicht auf Lebensdauer  errichtete Servitute haben «ewige» Gültigkeit. Dienstbarkeiten  unterliegen keiner Verjährung. Selbst die jahrzehntelange Nichtausübung  führt grundsätzlich nicht zum Untergang einer Dienstbarkeit. Sie zieht  keine «Versitzung» nach sich. Allerdings sieht das Gesetz folgenden  Ausgleichsmechanismus im Sinne einer einseitigen Löschungsmöglichkeit  durch den Belasteten vor (Art. 736 ZGB):
«Hat eine Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren, so kann der Belastete ihre Löschung verlangen.
Ist das Interesse des Berechtigten zwar noch vorhanden, aber im Vergleich zur Belastung von unverhältnismässig geringer Bedeutung, so kann die Dienstbarkeit gegen Entschädigung ganz oder teilweise abgelöst werden.»
Bedeutungslos gewordene Dienstbarkeiten sollen also gelöscht werden können. Massgeblich für die gesetzliche Interessenabwägung ist das Interesse des berechtigten Grundeigentümers an der Dienstbarkeitsausübung in korrekter Auslegung des Inhalts und Umfangs der Dienstbarkeit, wie es sich primär aus Grundbucheintrag, sekundär aus dem Dienstbarkeitsvertrag und subsidiär aus längerer unangefochtener und gutgläubiger Ausübungsart ergibt (vgl. Art. 738 ZGB).
Alles Interesse an einer Dienstbarkeit ist gemäss Art. 736 Abs. 1 ZGB dann verloren, wenn die Ausübung unmöglich geworden ist oder die Servitut für den aktuellen Eigentümer (auch künftig) keinerlei Bedeutung mehr hat, beispielsweise weil die mit einem Weiderecht belastete Liegenschaft bebaut und in ein Wohnquartier integriert wurde. Dasselbe gilt nach dem Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit bei einem zwar noch bestehenden Interesse, das aber nicht mehr der ursprünglichen Bedeutung entspricht, wie etwa bei einem Wegrecht, welches zum Zwecke der Zugangssicherstellung zu einem inzwischen abgerissenen Schulhausareal errichtet wurde und nun für die Zufahrt zu einem Geschäft genutzt wird. Hingegen besteht ein Interesse auch dann noch weiter, wenn der Dienstbarkeitsinhalt inzwischen auch von der neueren Baugesetzgebung abgedeckt ist.
In die Kategorie von Art. 736 Abs. 2 ZGB (Ablösung nur gegen  Entschädigung) gehören Fälle unverändert vorhandenen Interesses des  Berechtigten, das aber durch Zunahme der Belastung unverhältnismässig  gering geworden ist, sofern dafür nicht der belastete Eigentümer selbst  verantwortlich ist. Das Missverhältnis zwischen Interesse und Belastung  kann sich auch aus einer Abnahme des Interesses beim Berechtigten  ergeben. Es geht hier mithin stets um die Veränderung der Interessenlage  zum Nachteil des Dienstbarkeitsbelasteten, die nach  Dienstbarkeitserrichtung eingetreten ist. Die Belastung durch ein  Bauverbot wird nicht deshalb unverhältnismässig, weil die  öffentlich-rechtliche Bauordnung neu eine Überbauung oder höheres Bauen  zulässt.
Weitere Praxisbeispiele
Der Löschungsanspruch ohne Gegenleistung besteht etwa in folgenden  Fällen: Ein Wegrecht ist nicht mehr durchgehend auf allen für dessen  Ausübung erforderlichen Grundstücken eingetragen. Es besteht keine  Zweckübereinstimmung zwischen einem ursprünglich für die Übertragung  elektrischer Energie (Hochspannung) vereinbarten Durchleitungsrecht und  der Datenübertragung von Fernmeldediensten. Die Löschung eines Fuss-  oder Fahrwegrechts hat auch dann zu erfolgen, wenn es sich um ein  Legalservitut (Notwegrecht) handelt und inzwischen ein anderer  Grundstückszugang errichtet worden ist. Hingegen ist – nur gegen  Entschädigung – ein Bauverbot, das eine Überbauung des belasteten  Grundstücks verunmöglicht, teilweise aufzuheben, wenn sich das aktuelle  Interesse des Berechtigten an freier Seesicht auch mit einer (weniger  einschränkenden) Baubeschränkung realisieren lässt.
Autor: Daniel Thaler
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